Ausblicke aus dem Erker

Und zum Jahreswechsel 2004 / 2005 erscheint Ullas Erwachen von Schauspielerin, Rundfunk-Autorin, Sprecherin und nun auch literarischer Autorin Kornelia Boje. Hält die Schauspielerei Einzug im Verlag? – Nein, ein höchst vielschichtiger Roman hat das Verlagsprogramm bereichert und wird seine Leser reicher machen, die ihm zahlreich zu wünschen sind: Kornelia Boje machte viele Karrieren, berichtet das Darmstädter Echo im Mai 2005 – als Fotografin, als Synchronsprecherin und -regisseurin, als Autorin von Hörspielen und Features. Jetzt hat Kornelia Boje ihren ersten Roman geschrieben: »Ullas Erwachen« flicht mehrere Themen ineinander. Eine Fotografin hat ihren russischen Liebhaber und dessen Kumpan erschossen, nachdem die beiden sie entführt hatten. In der Aufarbeitung des Schocks mischt sich die Begegnung mit der Familiengeschichte. Ulla und ihre Mutter teilen ein Geheimnis: die Nazi-Vergangenheit des Vaters wirft noch immer einen Schatten auf die Gegenwart. – Brigitte Reimer urteilt in ihrer Buchbesprechung für die BR2-Sendung Diwan des Bayerischen Rundfunks: Kornelia Boje erzählt ihre Geschichte spannend vom Ende her. Daß man dran bleibt, obwohl man weiß, wie es ausgeht, spricht für dieses Buch.

Die Lesungen aus Ullas Erwachen sind ob der professionellen Lesekunst von Kornelia Boje ein besonderes Vergnügen, das Zuhörer in Frankfurt, Bensheim, Köln, Berlin, dann auch in München und Stuttgart weiteren Städten und genießen können.

Ende Dezember wird auch klar, daß die Liegenschaft Oskar von Miller Straße 18 im nächsten Jahr veräußert und abgerissen werden wird. Der Verlag wird umziehen. Bei einem Einkauf bei Fotohändler Gennrich in der Schweizer Straße kommt ein hinreißendes Büro ins Blickfeld der Umzugspläne, direkt gegenüber vom Eiscafé Milano, zweifellos der ersten gelatten Adresse in der Stadt (Canoli! Unbedingt probieren!) – zwar werden sich die Verhandlungen rund zwei Monate hinziehen, aber dann zieht der Verlag im März 2005 ein zweites Mal um: in die Schweizer Straße 21, 2. OG.

Wenige Wochen nach diesem Umzug, der alle vorhandenen Nerven aufgerieben hat und nur mit der Hilfe liebenswerter Freundinnen und Freunde bewältigt ist, wird der Verlags-Mercedes ein drittes Mal bis unters Dach beladen, Karl-Burkhard Haus ein zweites Mal mit dabei – unterwegs zur Leipziger Buchmesse – Ewart Reders Erzählband Ein und Aus ist erschienen und wird in Leipzig als eines der acht Prosa-Debüts des Bücher-Frühlings mit einer Lesung in der ehrwürdigen Universitätsbibliothek Leipzig geehrt. Zeitgleich erscheinen die Erinnerungen der Frankfurter Abiturklasse anno 1958 um Manfred Rossa und Manfred Walther (Herausgeber) über Mein Kriegsende, das die Generation der Nachkriegskinder ins Auge faßt …

Kurz darauf zeitigt eine der vergnüglichsten und ideenreichsten Kooperationen in der Reihe ETIKETT ein schönes Ergebnis: Zusammen mit der Unternehmensgruppe Melitta und ihrer Marke SWIRL ® entsteht der Band Beute(l)züge durch die Literatur / Keineswegs Abfälliges von Menschen und Müllbeuteln Claudia Franz ist Mit-Herausgeberin des Hardcover-Bandes mit Rückblicken in die Geschichte des »zivilisierten Stoffwechselhaushalts«, die ziemlich verblüffende Propheten und noch verblüffendere gesellschaftliche Blindheiten entdecken lassen …

Zum 80sten Geburtstag von Mikis Theodorakis soll wieder ein Grieche im Programm erscheint: Asteris Kutulas hat drei Bändchen über Theodorakis für die 16er Reihe übertragen. Martin Walser, Jacques Lang, Roger Willemsen und etliche andere Freunde des Komponisten und Politikers haben Vor- und Nachworte beigetragen. – Das Erscheinen der Bändchen verzögert sich dann leider doch – sie kommen demnächst, ergänzt durch eine Komplett-Ausgabe: die drei 16er im Schuber, von Mikis Theodorakis eigenhändig nummeriert und signiert!

Während Martin Bullinger nach zwei Jahren Rückzug vom belletristischen Marktplatz zaghaft ein neues Manuskript (Freude!) ankündigt und bevor die neue Reihe FeierTage monatlich startet erscheint zum vierten Mal Olaf Velte im Programm: Diesmal in einer Zusammenstellung seiner Gedichte mit Radierungen von Vroni Schwegler in einem großformatigen Künstler-Buch, das, von Hand fadengeheftet, den Titel Mengfrucht trägt. Eine der reproduzierten Radierungen von Vroni Schwegler ist der Hase:

Am 2. April 2006 nimmt der Verlag dann zum fünften Mal am Frankfurter Langen Tag der Bücher teil. Im Schauspielhaus diesesmal keine Kollage aus mehreren Büchern und mit mehreren Autoren, sondern Konzentration auf eines: Meinrad Brauns Roman Winterreise wird pünktlich zur Veranstaltung fertig und ausgeliefert. Langsam schreitet unter Meinrad Brauns Lesung der Pathologe August Brenner durch den Sektionssaal im Jahr 1953, auf dessen Obduktionstisch sein ehemaliger Freund liegt, den er seit 20 Jahren nicht gesehen hat – und eine eindrucksvolle Reise entlang Schubertscher Musik beginnt, die Sie vielleicht lesen und verfolgen sollten! – Klar wird bei der Arbeit an der Winterreise auch, daß hier eine vielversprechende Zusammenarbeit begonnen hat – Meinrad Braun flüstert von einem Casanova, der in seiner Schreibtischschublade auf Auferstehung lauere, von einem ziemlich eigensinnigen Abschleppwagenfahrer, der ebendort rangiere …

Kurz danach ist das Lektorat an einem Text von Gertrude Steinscher Sprachverspieltheit zu Ende: Rainer Schneider hatte aus dem erdrückenden Erlebnis einer schweren Tinnitus-Erkrankung einen mächtigen erzählerischen Bandwurm geformt. Unter dem Titel Tinnitus / Mann im Ohr erscheint seine Litanei im späten Mai. – Gleichzeitig ein neuer Gedichtband: Horst Peisker, wuchtiger Haudegen mit balladesk ins Gedicht gewendeter Lebenserfahrung, schließt seinen Band Dillingers Blau ab. Sturen gemeinsamen Bemühungen um Resonanz in den Redaktionen der Feuilletons, aber auch der schier unerschöpflichen Kommunikationslust des Autors Peisker ist es zu danken, daß die Gedichte in kurzer Zeit von der ZEIT in einem Beispiels gedruckt und freundlich empfohlen werden, daß die Neue Zürcher Zeitung den Band von Karl Corino umfassend besprechen läßt und die Frankfurter Rundschau eine kluge Rezension (Jungheinrich) bringt.

Eine ganz andere Freude, die auch beste Aussichten auf wirtschaftliche Effekte bereithält UND eine Autorin beziehungsweise ihr Buch vor dem »Wegrutschen« bewahren könnte: Im Frühjahr 2006 entschließt sich die Filmemacherin Eva Heldmann, das Buch von Patricia Boulay, die »Briefe an M.«, zu verfilmen. Sie zeichnet eine Option auf die Filmrechte. Jubel im Verlag. Und dann noch mehr, denn: Kurz darauf beschließt die Filmförderung Hessen, dieses kühne Film-Projekt zu fördern und gewährt Eva Heldmann ein Drehbuch-Stipendium zu dem Buch, in dem die Künstlerin Boulay von ihren Akt-Zeichnungen und -Gemälden erzählt, die sie anfertigt, nachdem sie sich ihre männlichen Studienobjekte auf der erotischen Wildbahn von Kaffeehäusern und Bistrots, von Parks und Kneipen »aufgerissen« hat … Ein von allen beteiligten Seiten höchst mutiger Entschluß – wir halten die Daumen für die filmische Arbeit, die Eva Heldmann damit bevorsteht.

Unsere Homepage feiert derweil abenteuerliche Besucherzahlen. Wir feilen und schmirgeln das Portal wöchentlich. Besonders erfreulich ist dabei, daß die Online-Version unserer Rezensionszeitschrift LISTEN irrsinnige Gästezahlen hat – nachdrücklichsten Dank an dieser Stelle an André Schwarz und alle unsere nimmermüden, Bücher-versessenen Besprecher! Es macht große Freude, diesen lebendhaften Ort des Austauschs über lohnende und lesenswerte Bücher am Verlag zu haben. Auch wenn E-Mail-Flut manchmal erschlagend ist, ist das eine anfeuernde Bereicherung.

Parallel zu diesen einzelnen Titeln und verschiedenen Büchern aber brodelt im Hintergrund etwas anderes

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