Kiosk Dielmann

Im Oktober 2000 würdigen ZDF und 3sat den Verlag als den Verlag mit dem originellsten Stand der Frankfurter Buchmesse. Das kommt so:

Neben das Buch von Susanne Bartsch Rent A Friend mit dem Fisherman's-Tütchen auf dem Titel stellten wir Olaf Veltes Kragen aus Erde mit dem Possmann-Appelwein-Flaschen-Etikett – und voilá, die Basis für einen Kiosk-Betrieb war geschaffen. Es wurde ein zweiter, kleiner Stand auf der Buchmesse angemietet, im Parallelgang zum eigentlichen Stand, und diese kleine Dependance wurde zum 50er-Jahre-Kiosk ausgebaut. Viel Gerenne zwischen den zwei Ständen, aber auch eine Mordsgaudi!

Diese Buchmesse des Jahres 2000 war ein einziger Rausch. Dazu trug auch das Symposion über Literatur-Sponsoring bei: Die Buchmesse wollte das Thema mit vier möglichst unterschiedlich mit Sponsoring umgehenden Verlegern aufgreifen, und so kamen André Schiffrin (dessen skeptische Einschätzung zur Entwicklung der Literaturverlage Verlage ohne Verleger gerade bei Wagenbach erschien), ein Geschäftsführer vom italienischen Verlagsriesen Mondadori, der Holländer Peter van Lindonk, der im Jahr rund 30 skurrilste Buch-artige Objekte mit Giga-Sponsoren macht und nichts anfängt unter 200.000 Stück Auflagen, und Axel Dielmann zusammen. Eine hitzige Debatte, an deren Ende nicht eindeutig ist, was überwiegen muß: Die Sorge um eine für sich und aus sich selbst heraus gültige und existierende Literatur, wie sie Schiffrin unnachgiebig hervorhebt, oder die beherzte Experimentierlust beim Versuch, wo immer möglich neue und weitere Leserkreise zu erreichen, wie van Lindonk es vormacht. – Zwischen diesen beiden Polen wird sich die Reihe ETIKETT weiter entwickeln.

Schöner Effekt der Veranstaltung: Die Organisatorin der Buchmesse in Prag lädt Axel Dielmann als Referent zu einem Symposion im April 2001 ein.

In der 16er Reihe erscheint eine zweite Gedicht-Sammlung der Lyrikerin Martina Hügli, deren Band Nicht gegen uns selbst immun 1998 als Etikett erschienen war. – Axel Dielmann übersetzt Ian Hackings Leute [zurecht] machen als 16er-Bändchen. – Martin Bullingers Assemblage aus 6 Teilen von Romanen Geruch der Liebe erscheint ebenfalls als 16er.

Spät im Jahr erscheinen Philipp Mosetters 107 Tragische Vorfälle, leider ohne die schon fast zugesagte Allianz Versicherung, der die Rettung vor Mosetters skurrilen Begebenheiten sicher möglich gewesen wäre …

Ende des Jahres scheidet Klaus Krämer als Gesellschafter aus der Kommanditgesellschaft aus. Zaghaft gehen Gerhard Schwab und Axel Dielmann auf die Suche nach einem neuen Dritten Partner.

Autoren wie Martin Bullinger und Thomas Schwab bilden einen festen Stamm aus mittlerweile rund 20 Schriftstellern, die regelmäßig im Verlag veröffentlichen. – Und eine Serie von Gesprächen über die Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen Literatur- und Kunst-Betrieb mit Enno Schmidt kreist immer wieder um das Beispiel eines seit langem zu verlegenden Buches: Schmidt, selbst Künstler und ideenreicher Essayist, Mitstreiter im auf Joseph Beuys zurückgehenden Konzept »Unternehmen Kunst und Wirtschaft, erweitert e.V.« – Enno Schmidt macht neugierig auf das Projekt Der Ganze Riemen, in dem der Beuys-Schüler Johannes Stüttgen seit den 70er Jahren versucht, die Zeit von Beuys als Lehrer an der Düsseldorfer Akademie zu protokollieren und in ihrer Eigenschaft als eine Art Gesamtkunstwerk festzuhalten.

Es kommt die Frage auf, ob und wie ein prozeßuales Geschehen von dieser Bedeutung und Komplexität »festgeschrieben« und ediert werden könne. Vom Umfang her ein auf wahrscheinlich 1.000 Seiten anzusetzender Band, unüberschaubar viele Abbildungen und Dokumente würden einzuarbeiten, teils überhaupt erst zu beschaffen, der Text selbst insgesamt in eine Form zu bringen sein. Aber eben ein Dokument über eine der virulentesten Phasen der neueren Kulturgeschichte Deutschlands, zudem ein kunstgeschichtliches Dossier von höchster Wertigkeit.

Enno Schmidt hatte mit Johannes Stüttgen, dem Autor, Künstler und Chronisten der Beuys-Aktionen, mehrfach zusammen gearbeitet, vor allem bei der Vorbereitung von Texten mitgewirkt. Klar wurde, daß Der Ganze Riemen nur mit eminenten finanziellen Mitteln und mit viel Goodwill von verschiedensten Seiten überhaupt in die Welt zu bringen wäre – aber die Gespräche verdichten sich, es kommt zu einer Begegnung mit Johannes Stüttgen, einem gemeinsamen Gang durch den Beuys-Block in Darmstadt, in dem Stüttgen die Hintergründe von Der Ganze Riemen illustriert.

In der Folge entsteht im Verlag die kühne Idee, man könne versuchen, ähnlich wie bei Filmproduktionen eine Beteiligungsgesellschaft zu gründen, aus deren Einlagen heraus Der Ganze Riemen finanziert werden könnte. Eine Serie von Gesprächen mit Finanzleuten wird nötig, mit Juristen, mit Filmproduzenten. Die Kontakte aus den Verkäufen der Filmoptionen werden hilfreich, es entsteht Neugierde seitens Anlegern und einigen Persönlichkeiten aus dem Bereich Finanzdienstleistungen: die ungewöhnliche Verbindung zwischen einem anspruchsvollen Kultur-Projekt, das sich zudem an einen der großen Künstler-Namen anbindet, und einer Beteiligungsstruktur hat einige Wucht. Es entsteht ein Konzept, eine Vertragsform läßt sich entwickeln, erste ernstzunehmende Interessenten an einer Beteiligung treten auf. In einer Presse-Kampagne wird das Projekt und die Beteiligungsmöglichkeit vorgestellt – und der Rücklauf ist frappierend: Ein Finanzierungsbedarf von rund 200.000 DM scheint abdeckbar durch das Prinzip von Beteiligungen. Grundsätzlich ist absehbar, daß hier eine aussichtsreiche Finanzierungsform für Kultur-Projekte von mittlerem Finanzbedarf zu denken ist. – Unter dem Vorbehalt, daß die Finanzierung gesichert werden kann, wird ein Vertrag über Der Ganze Riemen geschlossen. Enno Schmidt wird von Johannes Stüttgen als Lektor in das Projekt geholt, womit eine weitere Premiere stattfindet: Erstmals ist ausschließlich ein Außen-Lektor anstelle von Axel Dielmann inhaltlich für ein Buch zuständig, zudem wird mit Caro Forkel eine dann langjährige freie Mitarbeiterin hinzugezogen – und eine Zeit intensivster Gespräche und Arbeit an dem Rohmaterial des Berichtes über Beuys, die Beuys-Schüler und die Düsseldorfer Akademie zwischen den Jahren 1966 bis 1972, dem Jahr des RAUsschmisses von Beuys aus der Akademie, und die Folgejahre beginnt.

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